Differentielle Rotation

Quelle: Werren Graphik

Die Eigenrotation der Sonne

Die Sonnenoberfläche rotiert abhängig vom geographischen Breitengrad unterschiedlich schnell, dabei steigt die Rotationsdauer nach einer mathematischen Kurve vom Äquator zu den Polen.

Die sichtbare Sonnenoberfläche ist übersät mit über 2 Millionen Konvektionszellen,

den Granulen. Dabei handelt es sich im meteorologischen Sinne um Tiefdruckgebiete.

An der Untergrenze*(a) der Konvektionszone herrscht heftige Wirbelbildung und ein Druck von mehreren zehntausend bar und einer entsprechend höheren Dichte, als an der Oberfläche. Turbulenzen und Reibungskräfte zu den Nachbarzellen sind hier von entscheidender Bedeutung. Von den Zellenrändern kommend, strömt das aufgeheizte Plasma in die zentralen Aufstiegsregionen der Granulen und versetzt so, unter Einfluß der Corioliskraft*(b), die Zellen auf der Nordhalbkugel in Linksdrehung und auf der Südhalbkugel in Rechtsdrehung. Beispielsweise wirken auf der Nordhalbkugel die jeweils nördlichen Nachbarzellen über Reibung und Turbulenzen der Drehbewegung entgegen,

und verursachen damit eine Verdriftung der Zentren nach Osten.

Die jeweils südlichen Nachbarzellen, bewirken  dagegen eine Verdriftung der Zentren nach Westen. Beide Einflüsse heben sich nicht gegenseitig auf, denn sie sind ungleich stark.*(c) D.h. die jeweils nördliche Nachbarzelle rotiert schneller und hat eine größere Tangentialgeschwindigkeit, als die südliche. Darum überwiegt in Summe eine Ostverdriftung. Und weil die Sonne von Westen nach Osten rotiert, erhöht sich die Umfangsgeschwindigkeit um die Driftgeschwindigkeit.


Die Corioliskraft steigt mit dem Winkel der Wirbel-Rotationsebene zur Sonnenachse.

(Auf einer sich drehenden Kugel mit einem Einheitsradius 1, bewirkt ein Versatz vom 80.

zum 70. Breitenengrad eine Umfangsdifferenz von 1,057, aber vom 20. zum 10. nur 0,283.)

Folglich sinkt vom Nordpol bis zum Äquator, die statistische Wahrscheinlichkeit für eine Linksrotation immer weiter, bis auf nur 50%.*(d)

 

Die Relativbewegung zwischen zwei auf einem Meridian benachbarten Zellen beträgt nur wenige Meter pro Sekunde, aber nach einer Sonnenumdrehung

und im Abstand von 10 Breitengraden summiert sich die Distanz in den mittleren Breiten auf über 600 000 km.

 

Die Schemazeichnung zeigt eine Gruppe von Konvektionzellen,

die durch Tangentialreibung in Ostrichtung verschoben werden.

Die Verhältnisse auf der Südhalbkugel sind spiegelverkehrt.

(Mit dem Äquator als Spiegelachse)

 

Von den Polen zum Äquator akkumulieren sich die Driftgeschwindigkeiten.

Dieser Effekt wird allerdings mit steigender geographischer Breite gemindert, bzw. negiert, denn die, für die Ostdrift sorgenden, jeweils polseitigen Nachbarzellen, werden im Vergleich zu den äquatorseitigen, zu den Polen hin, prozentual immer weniger. So wird insgesamt ein Strömungsbild erzeugt, das in etwa einer Sinuskurve von +90° bis -90° gleicht.

 

Die Granulen stehen zwar nicht, wie in der Schemazeichnung in Reih und Glied, sondern chaotisch ungeordnet, dass ändert aber nichts an den grundlegenden Abläufen.

 

Die äußerst kurze Lebensdauer der Granulen, im Vergleich zu ihrer Größe, ist ein weiteres Indiz für rotierende Thermikwirbel in der Tiefe, die durch die oben beschriebnen Vorgänge gewissermaßen den Aufstiegsschläuchen davonlaufen und ständig neue Regionen mit heißem Plasma aufsteigen lassen. Der eigentliche Antrieb der differentiellen Rotation liegt also in der unteren Konvektionsschicht, von der das Plasma darüber mitgezogen wird.

 

Wie die Kurve der Geschwindigkeitsverteilung nach den oben beschriebenen Vorgängen aussieht, zeigt die Berechnung in 5-Grad-Schritten von den Polen zum Äquator.

 

Die Vorgänge werden in der Schemazeichnung dargestellt. Die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit ist frappierend. Setzt man die Maximalzahlenwerte der Diagramme (berechnet und real) gleich, dann gibt es bei den Zwischenwerten nur minimale Differenzen.

Das Berechnungsschema zeigt auch ein Maximum an Winkelgeschwindigkeitsänderung in den mittleren Breiten (grüne Kurve), genau wie es auch in der Realität beobachtet wird.

(Differenzierter Geschwindigkeitsverlauf, (grau hinterlegtes Diagramm))

 

 

In der Onlinesite „Welt der Physik“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gibt es einen Bericht, der auf der Originalarbeit:

"Giant Convection Cells Found on the Sun“, D.H.Hathaway; Science, 2013

basiert. Darin werden riesige Strömungszellen auf der Sonne und deren physikalischen Entstehungsmechanismen beschrieben.

Basierend auf den Erkenntnissen des Helioseismic and Magnetic Imager an Bord der NASA-Sonde Solar Dynamics Observatory wird berichtet, wie sich der großräumigen Strömungsverteilung verschiedene Strömungszellen überlagern.

Der differentiellen Rotation, wie ich sie anhand der einzelnen Granulen beschrieben hatte, sind den Beobachtungen zu Folge, großräumige Strömungszellen überlagert, die sich scheinbar ungeordnet über die Sonnenoberfläche verteilen. Auffallend ist jedoch die Häufung der Ostdrift-Zellen in den mittleren Breiten. Das Strömungsbild zeigt die Differenzströmungen im Verhältnis zur Umgebung und entspricht im Durchschnitt der Kurve 2 des differenzierten Geschwindigkeitsverlaufs. Das Einfügen des Strömungsbildes hab ich vermieden, weil das Urheberrecht dazu bei Dr. David Hathaway (NASA) liegt und verweise stattdessen auf den Weblink:

https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/news/2013/riesige-stroemungszellen-auf-der-sonne

 

Für ausschlaggebend halte ich die Zusammenfassung dazu im Text, die prinzipiell, jedoch weniger detailliert, meine Erklärung bestätigt.

 

 

Fußnoten:

 

*a) In der Fachliteratur werden unterschiedliche Tiefen von 60 000 bis zu 200 000 km angegeben.

 

*b) Auch ohne Rotation der Sonne würde das aufgeheizte Plasma spiralförmig in die zentralen Aufstiegsregionen der Granulen strömen. Denn der zur Verfügung stehende Raum verengt sich zur Mitte immer mehr, so dass das Plasma ebenfalls tangential abgelenkt wird. Allerdings wäre die Drehrichtung ohne Corioliskraft rein zufällig.

 

*c) Mit größerer Nähe zu den Polen, erhöht sich der Corioliseffekt.

 

*d) Ein Tiefdruckgebiet auf der Erde mit 1000 km Durchmesser im Verhältnis zum Radius der Erde, ist relativ hundertmal größer, als eine 1000 km- Granule im Verhältnis zum Sonnenradius. Die Folge ist, dass die drehrichtungsbestimmende Corioliskraft auf der Sonne nicht den gleichen Rang wie auf der Erde hat. Vielmehr drückt sie sich in einer statistischen Häufigkeit der Wirbeldrehrichtung, abhängig vom Breitengrad aus.

 

 

Quellen:

 

* Störing: ''Knaurs moderne Astronomie.'' S. 34 (Granulendurchmesser), Droemersche Verlagsanstalt, Kanuer Nachf., München, 1985, ISBN 3-426-26236-3<br />

 

* Becker und Sauermost: ''Erforschter Weltraum.'' S. 84 (Rotationsdauer-Zahlen, Pol = extrapoliert), Herder-Verlag, Freiburg Brsg. 1976, ISBN 3-451-17393-X<br />

 

* Hans-Ulrich Keller: ''Astrowissen.'' S. 166 (Druckverlauf in der Konvektionsschicht), Kosmos, Stuttgart, 2003, 3. Auflg., ISBN 3-440-09713-7<br />

 

* Heribert Stroppe: Physik, 14. Auflg., S. 55 , (Corioliskraft in Abhängigkeit vom Breitengrad), Fachbuchverl. Leipzig im Carl-Hanser-Verl., München, 2008, ISBN 978-3-446-41502-7

 

 

Letzte Änderung: 13.02.2024